Sommerfest-Freuden mit Weinwirtschafts-Sorgen  

Hervorgehoben

Gilde-Vorsitzender Manfred Berg konnte beim Sommerfest 2024 Weinkönigin Katja begrüßen.

Gebietsweinkönigin Katja zu Besuch bei der Weingilde Bergstraße

Es war ein für alle Gäste unvergesslich schöner August-Abend (am 17.8.) im Innenhof des ältesten Fachwerkhauses Südhessens – dem Walderdorffer Hof in Bensheim: Katja Simon (Zwingenberg), die Gebietsweinkönigin 2024/2025, hat das Sommerfest der Weingilde Bergstraße besucht und die rund 40 Weinfreundinnen und Weinfreunde dort beeindruckt – mit ihrem Talent, auf Menschen zuzugehen und ihrer Weinkompetenz. Die Weinkönigin warb bei der Gilde für Weine aus der Region: Bei aller Faszination der Vielfalt des Angebots aus aller Welt müsse im Blick bleiben, auch die hier produzierten Weine und Sekte zu konsumieren. Nur mit nachhaltiger Unterstützung der Verbraucherinnen und Verbraucher könne es dem Weinbau zumindest teilweise gelingen, die bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebte Kulturlandschaft mit Weinbergen an der Bergstraße zu erhalten.  

Sommerfest: Kühle Weine aus der Anbauregion Bergstraße und viele spannende Gesprächsthemen.

„Partnerschaftlich auf Suche nach Zukunftsperspektiven im Weinbau“

Die Weingilde wählte zum Sommerfest 2024 aus ihrem Fundus gezielt nur Weine aus der Region beziehungsweise aus Deutschland aus. Gilde-Vorsitzender Manfred Berg hatte in seiner Begrüßungsansprache die Krise der Weinwirtschaft und ihre vielfältigen Gründe thematisiert: „Es wird mehr erzeugt als konsumiert: Es gibt also ein Überangebot, das sich auf die Preise und damit auch auf die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Betriebe – auch an der Bergstraße – auswirkt.” Berg verwies auf den zurückgehenden Alkoholkonsum vor allem bei jüngeren Leuten sowie aktualisierte Empfehlungen von Ernährungsexperten, völlig auf Alkohol zu verzichten: Weil es mit Blick in aktuelle Studien offenbar „keine potenziell gesundheitsfördernde und sichere Alkoholmenge für einen unbedenklichen Konsum“ gebe.

Die Weingilde Bergstraße ist Mitglied der Bewegung „Wine in Moderation“, die sich für einen Weinkonsum mit Maß und Stil einsetzt: Das Kulturgut Wein – seit Menschengedenken fester Bestandteil des Lebens, der Kultur und Ernährung – soll verantwortungsbewusst konsumiert werden und auch in Zukunft ein beliebtes Genussmittel zu Mahlzeiten und bei geselligen Anlässen bleiben. So gab es beim Weingilde-Sommerfest 2024 viele spannende Themen, um mit Weinkönigin Katja und den anderen Gästen ins Gespräch zu kommen – über die Rolle des Weins, die Kunst des Weinbaus und dessen Zukunftsperspektiven in der Region.  

Sommerfest 2024: Mit Weinkönigin Katja und vielen Weinfreundinnen und Weinfreunden im Gespräch.

Weingilde sichert Königin und Weinbauverband Unterstützung zu

Katja Simon war im Juli 2024 im Rahmen des Heppenheimer Weinmarktes zur Repräsentantin des Weinanbaugebietes Hessische Bergstraße gekrönt worden. Die Weingilde hat ihr zu diesem neuen Amt gratuliert und Unterstützung zugesagt: Wie bei Johannes Bürkle, der zum neuen Vorsitzenden des Weinbauverbandes Hessische Bergstraße gewählt wurde – in einer für den Weinbau erkennbar schwierigen Phase. Während die Preise vor allem für Weine aus steileren Lagen eigentlich deutlich angehoben werden müssten, um stark steigende Kosten (für Löhne, Energie, Pflanzenschutz und Flaschen etc.) aufzufangen, leidet die Branche unter einem Überangebot durch weltweit zurückgehenden Konsum und Erntemengen, die mehrfach über den Prognosen lagen (zum Nachlesen dazu – z. B. beim Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd): Weinmarkt in der Krise oder im Fachmagazin “Weinwirtschaft”: “Weinverkauf sinkt weiter” .

Weinkönigin Katja im Gespräch mit dem Vorstand unserer Weingilde: Manfred Berg und Robert Eberle haben ihr gratuliert und für die enormen Herausforderungen partnerschaftliche Unterstützung zugesagt.

Ziel: „Bergsträßer Wein in seiner Vielfalt bewahren“

Ziel der Weingilde Bergstraße ist „die Pflege und Förderung des Verständnisses für den Umgang mit dem Wein als einem überlieferten Kulturgut und einem Element unserer Lebenskultur“ (Satzung). Die Gilde will Erkenntnisse zum Beurteilen von Wein vermitteln, über soziale und wirtschaftliche Verhältnisse im Weinbau informieren, zum Beschäftigen mit der Kulturgeschichte des Weines anregen und dazu beitragen, „den Bergsträßer Wein in seiner Vielfalt zu bewahren und ihm zusammen mit den anderen deutschen Weinen den gebührenden Platz unter den europäischen und außereuropäischen Weinen zu erhalten.“

Ziel der Arbeit der Weingilde Bergstraße: Das Kulturgut Wein soll verantwortungsbewusst konsumiert werden und auch in Zukunft ein beliebtes Genussmittel zu Mahlzeiten und geselligen Anlässen bleiben.

Fotos: rge / Weingilde Bergstraße.

Aroma-Vielfalt aus Weinblättern?

Nicht jedem Weinfreund wird bekannt sein, dass in Weinblättern ebenso sortentypische Aromen zu finden sind wie in den Weinbeeren. Gelänge es, diese durch geeignete Verfahren herauszulösen, wäre ein Weg frei, aromatische Getränke herzustellen, die alkoholfreien Weinen vergleichbar sind. Alkoholfrei deswegen, weil keine alkoholische Gärung erforderlich ist, die bei der traditionellen Weinbereitung die Aromen aus den Weinbeeren extrahiert.

An der Hessischen Bergstraße läuft aktuell ein Projekt mit dieser Zielsetzung.

Die wissenschaftliche Koordination liegt bei der Brain Biotech AG (Zwingenberg). Dort werden Mikroorganismen, Hefestämme, selektiert und für eine Fermentation der Weinblätter optimiert. Als Partner zur Bewertung der technischen Machbarkeit ist die Provadis Hochschule in Frankfurt eingebunden.

Entscheidend ist die Qualität der Blätter und Triebe. Die Rebstöcke sollen möglichst wenig gespritzt sein, deshalb wird auf pilzwiderstandsfähige Sorten zugegriffen. Lieferant ist das Weingut Eva Vollmer aus Mainz. Begonnen wurden die Experimente in Zwingenberg mit der Rebsorte Muscaris. Die besten Ergebnisse werden offenbar mit sehr jungen Pflanzenteilen erreicht.

Das Projekt der drei Partner wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 745.000 € gefördert. Es gehört zu einem Gesamtpaket “Sustainable Beverages”.  – Für Weinbaubetriebe könnte es zusätzlichen Nutzen dadurch bringen, dass zum einen weniger Abfall entsteht und zum anderen eine neue Produktlinie aufgebaut werden kann, die zeitlich von der traditionellen Weinbereitung entkoppelt ist. Der Laubschnitt ist im Frühsommer generell erforderlich. Und durch die Produktion alkoholfreier weinähnlicher Getränke wird ein zunehmend stärker werdender Trend aufgegriffen.

Die Weingilde Bergstraße wird diese und andere Forschungsprojekte zur Suche nach neuen Aromen und alkoholfreien Getränken auf Traubenbasis im Jahr 2025 zum Thema machen – wenn fundiertere und schmeckbare Ergebnisse vorliegen. rt

Forschung: Aromen – nicht nur aus den Trauben, sondern auch aus den Weinblättern?

Foto: rge

Weine – jahrzehntelang lebendig!

“Weine – jahrzehntelang lebendig” … Damit ließen sich gut 20 Freunde der Weingilde Bergstraße konfrontieren – zunächst mit vielen Vorbehalten, denn Richard Hartmann präsentierte nur deutsche Weißweine und zum Teil auch noch trockene. Der Kenner gereifter Gewächse sammelt Weine, die für ihn eine biographische Bedeutung haben. So machen es auch nicht wenige Weinfreunde mit Einlagerungen aus Geburts- und Hochzeitstagen. Wichtig für die Stabilität der extraktreichen Weine sind eine ausgewogene Balance von Restsüße, Säure und Tanninen. Dazu kommt die gute Lagerung ohne Lichteinflüsse bei stabiler Temperatur sowie der Möglichkeit, etwa alle 20 Jahre einen Korkwechsel durchzuführen. Wichtig ist dabei auch der Blick auf Winzer mit viel Erfahrung.

Was es zu verkosten gab, überrasche dann alle Teilnehmer:innen. Kaum die typisch Rheingauer Petroltöne, keine irritierenden Firnenoten – Weine, die bei Blindverkostungen oftmals weitaus frischer und jünger eingeschätzt wurden. Eröffnet wurde die Probe von einem 2020er Rheingauer Riesling Johannishof, dem eine große Zukunft testiert wird und der 2022 in Eberbach ersteigert wurde. Bei ihm lernten die Weinfreunde den NFC (Non-Fungible-Token)-Chip kennen, einer elektronischen Fälschungssicherung, wie er seit wenigen Jahren in Kloster Eberbach eingesetzt wird.

Fünf der Weine stammten aus der Kollektion von Hans-Josef Becker in Walluf – von Insidern auch „Schnorres-Becker“ genannt. Sein 13 Hektar großes Weingut wurde bereits 1893 gegründet. Schon vor der Zertifizierung als Bioweingut 2011 war der bald 80jährige Becker extrem naturverbunden unterwegs. Weinberge seien eine befristete „Leihgabe der Natur.“ Die Rieslinge wurden nach 12 Stunden Maischestandzeit schonend gepresst und im Holzfass mit eigenen Hefen vergoren. „Dem Wein müsse man seine Zeit lassen, er wisse schon, was zu tun ist.“ Wenn es Eingriffe gibt, dann nur im Maische- oder Moststadium. Ein Wein kann dann schon mal sechs Monate „weiterblubbern“, bis die Vergärung beendet ist. Im Weinberg wird auf mineralische Dünger und Herbizide verzichtet. Radikale Ertragsreduzierung tut ihr Übriges. Auch eine Filtration unterbleibt: „Filtration ist nur etwas für eilige Gemüter.“

In die Runde der 2002er Weine wurde auch noch ein Gräfenberg vom Weingut Robert Weil eingereiht, der ebenfalls frisch daherkam, aber vielleicht doch in der Komplexität mit dem Becker-Wein nicht mithalten konnte. Den Abschluss bildeten mit einer 1983er Ruländer Auslese aus Trier und einer 2016er Durbacher Scheurebe Auslese zwei andere Rebsorten für hervorragende Süßweine. Eine außergewöhnliche Probe!

Text: rh/mb / Foto: rge