Bergstraße bis Uruguay

Hervorgehoben

Viognier-Probe der Weingilde: Renaissance eine Rebsorte

Bensheim. Was macht die Rebsorte Viognier für Winzer und Weinliebhaber so attraktiv? Warum erlebt diese früher überwiegend an der Rhône in Frankreich kultivierte Rebsorte, deren Anbaufläche jahrzehntelang kräftig geschrumpft war, eine bemerkenswerte Renaissance? Antworten auf diese Fragen gab eine von der Weingilde Bergstraße organisierte Weinprobe am Freitag (13. Juni 2025) in Bensheim: Die von Cornelia und Robert Eberle präsentierte Entdeckungsreise mit insgesamt neun Weinen führte von der Bergstraße bis nach Uruguay in Südamerika.

Cornelia und Robert Eberle führten die eindrucksvolle Entdeckungsreise - mit neun Weinen von der Bergstraße bis nach Südamerika (Uruguay).

Viele Aromen und experimentierfreudige Winzer

Denn auch an der Bergstraße wird Viognier angebaut: „Unverhofft“ nennt das Weingut Majer (Schriesheim) seinen trockenen Viognier. Weinfreundinnen und Weinfreunde lobten bei der Probe nicht nur das Bouquet (mit dem Duft von Aprikosen, Veilchen, Mandarinen), sondern auch die seidig-geschmeidige Textur (Mundgefühl) sowie den saftigen, langanhaltenden Fruchtgeschmack. Wie unterschiedlich diese Rebsorte Viognier, die weltweit zu den aromatischsten Weißweinen zählt, von experimentierfreudigen Winzern eingesetzt und ausgebaut wird, zeigte sich bei weiteren Weinen aus Frankreich und Italien. Dabei verdeutlichte die Probe an Beispielen auch, was den Viognier als Cuvée-Partner (beim Mischen verschiedener Rebsorten) so interessant macht: Viognier verhilft Cuvées meist zu mehr Frische und fruchtigen Aromen von Birnen, Aprikosen und Pfirsichen. Vor allem in wärmeren Weinbau-Regionen können sie so zum Beispiel den dort oft üppigen wirkenden Chardonnay-Weinen als Cuvée-Partner mehr Leichtigkeit und Komplexität schenken. 

Viogniers aus ihrer Heimat Frankreich - nicht nur aus Condrieu.

„Probe selbst für Weinkenner eine echte Premiere“

Deshalb war die Viognier-Probe der Weingilde eine bisher wohl einmalige Gelegenheit an der Bergstraße, mehr über diese vielseitig einsetzbare Rebsorte zu erfahren – mit ungewöhnlichen Geschmackserlebnissen. Zum Beispiel mit einem Wein aus den Reb-Terrassen von Condrieu (Rhône-Ufer): Viognier-Weine von Condrieu gelten international nach wie vor als eine kostbare Besonderheit, die Weinliebhaber zumindest einmal im Leben probiert haben sollten. Wie eine Umfrage zeigte, hatten selbst die zum Teil sehr erfahrenen Weinkenner unter den Gästen dieser erneut ausgebuchten Weingilde-Veranstaltung nie zuvor an einer so ausführlichen, auf Viognier fokussierten Weinverkostung teilgenommen. 

Überraschung: Viognier gibt Rotweinen stabilere Farbe

Überraschung für die meisten Besucher: Cornelia und Robert Eberle präsentierten zum Ausklang der Viognier-Probe zwei besondere Rotweine. Denn die Weisswein-Rebsorte Viognier ist auch als Cuvée-Partner bei kräftigen Rotweinen beliebt: Sie bringt nicht nur fruchtige und florale Duftnoten ein, sondern sorgt zudem für mehr Aromen und Eleganz – zum Beispiel für bei oft kräftig-würzigen und tanninreichen Syrah-Weinen. Darüber hinaus spürten die faszinierten Gäste der Weingilde-Probe auf ihren Zungen, wie der Viognier eher kantigen Rotweinen eine samtigere Textur gibt – die Weine also harmonischer wirken lässt. Einen anderen Effekt konnten alle in ihren Gläsern sehen: Viognier verbessert die optische Attraktivität – optimiert die Farb-Intensität und -Stabilität. So hatte der 2015er Rotwein zum Finale der Probe aus Uruguay (85% Tannat, 15% Viognier) neben seiner aromatischen Komplexität noch eine bemerkenswert tiefe und satte Farbe. 

Unvergessliche Geschmackserlebnisse will die Weingilde Bergstraße auch bei ihrem Sommerfest 2025 bieten, das für Samstag, den 23. August, geplant ist: Dann verkostet die Gilde mit ihren Gästen (Anmeldung hier) sortenreine Apfelweine – aus dem Odenwald.   

Die Weingilde Bergstraße ist Mitglied der Bewegung “Wine in Moderation”, die für Wein mit Maß und Stil wirbt: Es geht um maßvollen Genuss als Teil eines gesunden Lebensstils. Wein ist nach Überzeugung der Gilde-Mitglieder ein hohes traditionsreiches Kulturgut und für viele fester Bestandteil eines guten Essens.

Faszination von Lieblingsweinen

Interessante Vergleiche – emotionale Geschichten – Raubkatze und Riesling

Wie wird ein Wein zum Liebling? Das kann sehr unterschiedliche Gründe haben, die nicht nur mit dem Geschmack zusammenhängen. Oft stecken spannende, emotionale, persönliche Geschichten hinter faszinierenden Lieblingsweinen. Dies konnten Weinfreundinnen und Weinfreunde bei einer “Lieblingsweinprobe” zum Start in den November (2024) in Bensheim erfahren. Die Weingilde hatte Mitglieder und Interessierte eingeladen, ihre (möglichst jungen und aktuellen) persönlichen Lieblingsweine vorzustellen.

Reife Aromen – frische Säuren – cremige Eleganz

So wurde in der Probe ein 2023 Sauvignon Blanc präsentiert, der in verschiedenen Weinbergen bei Deidesheim (Weingut von Winning) gewachsen ist und durch “reife Aromen von Maracuja und gelber Stachelbeere bei frischer Säure” das Herz eines Weingilde-Mitglieds erobert hat. Bei der Lieblingswein-Probe konnten interessante Vergleiche gezogen werden: Zum Beispiel zwischen einer 2021er Weißburgunder Spätlese (trocken) von der Bergstraße (Weingut Simon-Bürkle, Zwingenberg) und einem ebenfalls trockenen 2023er Weißburgunder-Gutswein von der Nahe (Weingut Emmerich-Koebernik, Waldböckelheim), der durch seine Frische und cremige Eleganz (“so ein junger Wein und soviel Frucht”) begeistert.

Riesling als Raubkatze verpackt: Lieblingswein mit besonderem Etikett!

Bemerkenswerte Rieslinge konnten ebenfalls verglichen werden: Ein halbtrockendes 2021er Riesling-Hochgewächs vom Mittelrhein (von der Weinbruderschaft Breyer Hämmchen) und ein raffiniert dosierter 2023er Riesling aus Rheinhessen – von einem Winzer (Wildener, Nack), der seine Weine mit Katzen auf dem Etikett vermarktet: Auch Vermarktungsideen und Etiketten können Weinfreunde faszinieren …

Ein Weingilde-Mitglied hatte als Lieblingswein einen 2020er Spätburgunder vom Weingut Steinmüller (Bensheim-Auerbach) aus seinem Keller mitgebracht – und so an den im Mai 2022 verstorbenen Winzer Rolf Steinmüller erinnert.

Vorgeschmack: Viognier-Probe für 2025 geplant

Nach den Lieblingsweinen gab die Weingilde zudem einen “Vorgeschmack”: Die Probenteilnehmer konnten einen spanischen Wein der Rebsorte Viognier kosten. Denn dieser Rebsorte Viognier will die Weingilde 2025 eine eigene Veranstaltung widmen. Hintergrund: Diese von der Rhône stammende Sorte gilt als besonders aromatisch und komplex – sie war in den 1960er Jahren fast verschwunden und ist heute wieder populär. Warum das so ist, soll eine Probe mit Viognier-Weinen aus aller Welt zeigen, die für 2025 vorgesehen ist. Weitere Informationen zum Programm der Weingilde Bergstraße unter weingilde-bergstrasse.de.

Beeindruckende Bordeaux-Probe

Im Bukett Cassis, Brombeere und Schwarzkirsche?

Bordeaux-Präsentation der Weingilde informiert auch über Krise und Perspektiven

Mit einer monatelang intensiv vorbereiteten Probe konnten Mitglieder und Gäste der Weingilde Bergstraße Europas größtes Weinanbaugebiet im Oktober 2024 noch besser kennenlernen. Winfried Christ hatte die Gesamtorganisation dieser Probe mit acht interessanten Weinen übernommen – er wurde bei diesen Aufgaben von mehreren Weinkennern der Gilde unterstützt. Die Herausforderung: Im Weinbaugebiet Bordeaux (auf Französisch: Bordelais) gibt es etwa 3000 Château genannte Weingüter – mit einer Anbaufläche von insgesamt mehr als 100tausend Hektar. Zum Vergleich: Die Wein-Anbaufläche an der Hessischen Bergstraße liegt bei etwa 465 Hektar.

Weinkenner Winfried Christ präsentierte faszinierende Bordeaux-Weine und viel Wissenswertes.

Die Probe informierte über das Anbaugebiet, die vorgestellten Weingüter mit ihrer Lage, ihren Böden, Rebsorten und Arbeitsweisen. Dabei konnten die Teilnehmer ihre eigenen Geruchs- und Geschmackseindrücke mit den kreativen Beschreibungen vergleichen, die von prominenten Weinkritikern und Marketingfachleuten formuliert wurden. Besticht der granatviolette Merlot tatsächlich durch lebhafte Noten von gebackenen Pflaumen, schwarzen Kirschen und Himbeerkonfitüre? Gefolgt von geschmolzenem Lakritz, gemahlenen Nelken und Sandelholz? Ist der Geschmack wirklich vollgepackt mit dunklen Früchten und exotischen Gewürzakzenten – umrahmt von weichen Tanninen und viel Frische, um den Gaumen im Abgang unendlich lang zu verwöhnen? Ist im Bukett Cassis, Brombeere und Schwarzkirsche gepaart mit feinen Anklängen von Pfeffer – auch in unseren Nasen? Und am Gaumen mit Schokolade überzogene Pflaumen mit Trüffelakzenten? Tragen samtig-weiche Tannine die Aromatik in ein langes Finish? Auch wenn die Weingilde-Probengäste nicht jeder Beschreibung in allen Details zustimmen konnten: Die meisten zeigten sich beeindruckt von der Komplexität, Tiefe und Schönheit der vorgestellten Bordeaux-Rotweine.

Zugleich wurde bei der Probe über die schwere Krise des Anbaugebietes informiert: Die massive Überproduktion von Rotwein soll mit der Rodung von riesigen Flächen eingedämmt werden. Die aktuell überproduzierte oder bereits aus Vorjahren vorhandene Menge wird zum Teil destilliert. Trotz der extrem niedrigen Erntemengen 2024 in Frankreich kann nicht mit einem Preisanstieg gerechnet werden: Der Konsum sinkt weiter kräftig, die Produktionskosten steigen weiter – die Schere zwischen Kosten und Erlösen geht für viele Weinbaubetriebe zu stark auseinander. Immer mehr Weinberge liegen brach, weil sich die Bewirtschaftung nicht mehr lohnt.

Viele Winzer sind deutlich älter als 50 Jahre, finden weder Nachfolger noch Käufer für ihre Weinbergsflächen. Umfragen zeigen, dass rund ein Viertel der Bordeaux-Winzer ihren Beruf aufgeben wollen. Für viele bedeutet die geförderte Rodung die einzige Chance aus der Weinbranche auszusteigen und zumindest eine kleine Entschädigung zu erhalten. Inzwischen hat die EU grünes Licht gegeben für einen 120-Millionen-Euro-Rodungsplan der französischen Regierung. Diese Beihilfen sollen als direkte Zuschüsse an Winzer gezahlt werden, die sich verpflichten, Weinberge endgültig zu roden – und damit ihre Rebfläche dauerhaft zu verkleinern. Denn nicht nur der Export ist eingebrochen. Auch der Absatz im Heimatmarkt geht rasant zurück: Weinbauexperten und Politik suchen nach Auswegen aus der Krise. Eine Bordeaux-Offensive geht Richtung Bio und Nachhaltigkeit; auch die Wein-Stilistik und das Image sollen sich in den nächsten Jahren ändern.

„Das ist es, was unsere Weingilde ausmacht: Wir trinken nicht nur Wein mit Maß und Stil – wir befassen uns mit der Weinkultur, der Geschichte, der Gegenwart und mit den Zukunfts-Perspektiven“, so Weingilde-Vorstandsmitglied Robert Eberle. Mit Blick auf die Krisen-Signale in der Weinwirtschaft – nicht nur in Frankreich – kündigt die Weingilde Bergstraße an, sich im Jahr 2025 gezielt verstärkt mit “Zukunftsweinen” zu beschäftigen: Mit aktuellen Trends und dem kräftigen Wandel in der Weinwirtschaft – auch in Deutschland. Am 15. Februar 2025 ist erneut eine Fahrt zur Weinmesse nach Straßburg geplant – zusammen mit dem Deutsch-Französischen Freundeskreis Bensheim-Beaune.