„Alkoholische Gärung kein Vergnügen für die Hefen“

Weingilde Bergstraße organisiert Vortrag im Staatsweingut

Bergstraße. Wenn die Hefe wüsste, was auf sie im Keller zukommt, würde sie lieber im Weinberg auf den Traubenbeeren bleiben. „Die alkoholische Gärung ist für die Hefen kein Vergnügen, sondern purer Stress“, so die Aussage von Prof. Manfred Großmann vom Fachgebiet Mikrobiologie und Biochemie an der Forschungsanstalt Geisenheim. Der von der Weingilde Bergstraße in Zusammenarbeit mit dem Staatsweingut Bensheim veranstaltete Vortrag über den „Einfluss von Weinhefen auf Komplexität und Individualität von Weinen“ war so, wie es der Titel vermuten lässt: anspruchsvoll und kompliziert.

Mit plakativen Aussagen und anschaulichen Vergleichen verstand es der Referent dennoch, die zahlreichen Zuhörer zu faszinieren. So hätten die Spontanhefen auf den Beeren im Weinberg zwar mit veränderlichen Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen, wenig Nährstoffen und viel UV-Strahlung zu tun. So richtig stressig werde es binnen kurzer Zeit jedoch erst im Keller: anaerobe Zustände, niedriger ph-Wert und Zuckerüberangebot setzen den Hefen ganz schön zu. Und am Ende ihres Lebens sterben sie auch noch an dem von ihnen selbst als Stoffwechselendprodukt gebildeten Alkohol.

Spontanvergärung oder Anwendung von Reinzuchthefen, das ist die Frage, bei deren Antwort Großmann zu unverkrampfter Haltung rät. Die „unversöhnlichen Geschwister“ seien gar nicht so weit voneinander entfernt. Da sowohl Weinberg als auch Keller alles andere als sterile Verhältnisse aufweisen, liegen regelmäßig Mischformen der auslösenden Hefefloren vor. Üblich seien auch die Impfung von Mosten aus positiv bewerteten Starterkulturen, die durch frühe Lese gesunder Trauben und nachfolgender Spontanvergärung gewonnen wurden. Der Fachmann nennt das „Weiterbeimpfung von Tank zu Tank“.

Zwischendurch lieferten vom Leiter des Staatsweinguts Volker Hörr und seinem Kellermeister Thomas Löffler ausgesuchte neue Weine des aktuellen Jahrgangs den schmeckbaren Hintergrund zur theoretischen Kost. Die Praktiker haben es heutzutage mit einem Angebot von etwa 200 Hefestämmen nicht unbedingt leichter als der Winzer vor dreißig Jahren, der mit etwa zehn erhältlichen Hefen auch weniger Fehler bei der Auswahl der passenden Gärhilfe machen konnte. Großmann sah die Sache positiv: Die vielen Hefen mit den unterschiedlichsten Eigenschaften wirken der Gefahr einer Uniformierung der Weine eher entgegen.

Und wer angesichts der Riesenauswahl dann immer noch unentschlossen sei, der könne sich des Geisenheimer Hefefinders (www.hefefinder.de) bedienen. Entsprechend der Eingabe von Weinkategorie, Rebsorte sowie weiteren Parametern werden dann Reinzuchthefen von Anaferm Classic über Oenoferm Bouquet bis Zymaflore VL3 samt Bezugsquelle empfohlen. Nach so viel Hefetheorie war die abschließende Verkostung fertiger Weine richtig entspannend.

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