HEPPENHEIM. Von
Marc Levasier Mit ausgesprochen feinem Gaumen, aber zugleich mit
Distinktion zwischen den Angehörigen der Ober- und Mittelschicht auf
der einen und Besitzlosen auf der anderen Seite gingen die Römer zu
Tisch. Feines Fleisch oder unverdünnten Wein nahmen die Gutsbesitzer
zu sich, während die Bediensteten mit Getreidebrei zufrieden sein
mussten. Einmal wie einer der „besseren Römer“ zu speisen, diesen
Wunsch erfüllte die Weingilde Bergstraße am Samstag Gästen in der
Bergsträßer Winzer eG (BGW).
Als echte Partnerschaft
der Winzer eG und der Weingilde verstanden, führte Roland Turowksi
von der Bergsträßer Weingilde in den Abend ein, der Besucher in
einer Zeitreise „zwei Jahrtausende rückwärts zum Wein und Essen der
Römerzeit“ führen sollte. Fachlich wurde die Veranstaltung von Fritz
Schuhmann als Präsident der Gesellschaft für die Geschichte des
Weines in Bad Dürkheim betreut.
Schuhmann hatte eine
Auswahl von Weinen aus dem südeuropäischen Raum sowie solche, die in
der Tradition der römischen Weinbauern gekeltert wurden, mit nach
Heppenheim gebracht. Sie wurden blind zum Essen der Römer verkostet,
das Hans-Peter Heinrich und seine Frau Maria Castka zubereitet
hatten. Die Speyerer sind Mitglieder des Förderkreises „Villa
Rustica“, das zwei alte Landgüter der Römer in der Pfalz pflegt.
Dass die römische
Küche außergewöhnlich ist, bewies die Speisenfolge des Abends, die
mit einem Ei in Pinienkernsauce „In ovis apalis“ begann und über
römische Rote Beete „Betas elixas“, Gerichte mit Oliven und
Schafskäse wie dem „Moretum“, Frikadellen, Wurst und Hähnchenbrust
zur Nachspeise kam. Serviert wurde „Pulter punica“, eine aus der
nordafrikanischen Provinz Punien stammende Graupenspeise mit
Frischkäse, Honig und Obst.
Dass der römische
Kochgenuss nachvollziehbar ist, verdankten die Gäste nicht nur
Heinrich und Castka. Gesammelt und aufgeschrieben wurden die Rezepte
vom römischen Senator Apicius. Sein Kochbuch ist eine der besten
Quellen, wenn es um antike Küche geht. „Er war bekannt dafür, große
Gastmähler auszurichten“, betonte Maria Castka.
Römisch zu kochen
ist eine raffinierte Angelegenheit. Nicht alleine, weil die Rezepte
zwar Inhalts-, aber keine Mengenangaben enthalten. „Die Römer haben
auch sehr unterschiedliche Dinge miteinander kombiniert, also
Früchte mit Pfeffer oder Süßspeisen mit Fischsoße gewürzt“, betonte
Heinrich. Die Fischsoße, das fermentierte „Liquamen“, war
Allzweckwürzmittel und Salzersatz zugleich.
Mit Soja- oder
Worcestersauce verglichen, waren die Römer damit wie in vielen
anderen Dingen erstaunlich modern. Sie kultivierten und kelterten
Wein, den sie in Amphoren lagerten und mit Kräutern oder Honig
aromatisierten, wie Schumann in einem reich bebilderten Vortrag
erläuterte. In dem von ihm betreuten römischen Weingut Ungstein bei
Bad Dürkheim, verbürgter Standort eines historischen römischen
Landguts, wird heute noch so gewirtschaftet.
Schuhmann
präsentierte einen selbst kreierten römischen Würzwein, der aus
einem alten Riesling sowie Honig und Gewürzen entstanden war. Zur
Nachspeise, der süßen „Pulter punica“ , harmonierten die Gewürze
prächtig. Clou der Schuhmannschen Abfüllung sind Henkelflaschen, die
den römischen Flaschen nachempfunden sind, in die der Wein zur
Verkostung gelangte.
Revidiert werden
müsse angesichts der archäologischen Grabungen in Ungstein und der
römischen „Villa rustica“ in Wachenheim in der Pfalz die Ansicht,
dass die Landgüter kleine Betriebe waren. „Es waren Großbetriebe,
die ganze Gemarkungen versorgten“, betonte Schuhmann. Zur
Heppenheimer „Villa Rustica“ an der Gemarkungsgrenze zu Bensheim
gibt es leider wenig archäologische Befunde.
„Das mag auch daran
liegen, dass vieles recycelt wurde“, erläuterte Schuhmann. So wurden
Mühlsteine als Baumaterial, aber auch das Baumaterial selbst später
wieder auf andere Weise verwendet. Dennoch lässt sich der Weinbau
der Römer rekonstruieren. Auch den in geharzten Amphoren gelagerten
Wein mit eigenwilliger Harznote konnten die Gäste mit einem
griechischen „Retsina“ nachempfinden. Später wurde zudem Sherry
gereicht.
Im zweiten Teil des
Abends schloss sich an die historische eine moderne Weinprobe aus
dem Sortiment der Bergsträßer Winzer eG an. Vorsitzender Reinhard
Antes führte mit Bildern aus den Heppenheimer Weinbergen durch
Grauburgunder, den noch seltenen Roten Riesling, Blauen
Spätburgunder und das „Centurio“ getaufte rote Cuvee aus Pinot Noir
und Merlot.
Mit dem „Centurio“
im Namen greift die BGW die Tradition des römischen Weinbaus als
Grundlage der Weinwirtschaft an der Bergstraße auf. Dass die Römer,
die auch die Technik der Rebveredelung beherrschten, hier mit dem
Weinbau begannen, schien am Samstag wenig zweifelhaft zu sein. Zwar
betrieb die Weltmacht Rom ein blühendes Fernhandelsnetz. „Doch warum
sollten sie etwas transportieren, was an der Bergstraße so prächtig
gedeihen konnte“, fragte Turowski.
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